ES) Als bestens geeignet für die stimmungsvolle Eröffnungsgala erwies sich das Foyer der Stadthalle Rostock: Die Barrierefreiheit war gegeben, die Anbindung durch das Rostocker Straßenbahnnetz perfekt und auswärtige Gäste hatten kurze Wege vom/zum Hauptbahnhof.
Es war ein buntes, integratives Programm, das das Publikum zum Auftakt des ersten Rostocker Inklusions-Festivals erwartete. Informationen aus der Welt der Inklusion kamen nicht zu kurz, aber es waren vor allem die fröhlich-mitreißenden Momente wie auch die anrührenden und nachdenklich stimmenden Eindrücke, die im Gedächtnis bleiben werden. Wobei nicht nur das Live-Geschehen auf der Bühne tief beeindruckte, sondern auch die per Screen eingespielten Statements vieler prominenter all inklusiv-Unterstützer. Unter ihnen der Politiker Dr. Wolfgang Schäuble, die Lebenshilfe-Präsidentin Ulla Schmidt (Foto), Wimbledon-Sieger Michael Stich, DOSB-Präsident Friedhelm Beucher, Film- und TV-Größen sowie last-but-not-least der gebürtige Rostocker und amtierende 1. FC Köln-Trainer Steffen Baumgart. Wer wusste schon vorher, dass Letzterer als Kind krank war und einen Behinderten-Kindergarten besuchte? „Ohne den“, sagte er in seiner Video-Botschaft, „hätte meine Mutter nicht arbeiten gehen können und ich hätte nicht den Kontakt zu anderen behinderten Kindern gehabt.“ In puncto Inklusion, meinte er, habe die Gesellschaft noch viel zu lernen: „Deshalb wünsche ich dem Festival, dass eine Tradition daraus wird.“
Moderiert wurde der Abend von der ehemaligen Nordmagazin-Sprecherin Anke Rösler und all inklusiv-Initiator und -Organisator Christian Schenk, die zunächst Rostocks Bürgerschaftspräsidentin Regine Lück auf der Bühne begrüßten. Der flammenden Rede der Politikerin auf Inklusion, Teilhabe, Empathie und Empowerment folgte das erste musikalische Highlight: die Coole Meute.
Die 2017 gegründete Integrationsband besteht ausschließlich aus Jugendlichen mit geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen und entstand als neues Lern-, Musizier-, Erfahrungs- und Forschungslabor der Hochschule für Musik und Theater (hmt) in Rostock. Die Idee war, durch die Betreuung von hmt-Studierenden das gemeinsame Musikmachen von Menschen mit und ohne Behinderung zu fördern. „Was von den Jugendlichen an Lebensfreude, Spaß und Eifer zurückkommt, ist unbezahlbar“, sagte Prof. Dr. Bernd Fröde, Fachdidakt Schulmusik an der hmt. Das Ergebnis sei, dass aber auch die Nervosität bei Live-Auftritten zwischen den Jugendlichen und Studierenden geteilt werde. Inzwischen spielt und singt die Coole Meute nicht mehr nur Pop-Coverhits, sondern hat auch einen eigenen Song selber geschrieben und arrangiert.
„Bei jungen Leuten gibt es viel mehr Inklusion als unter Älteren“, bestätigte DJ Trix die Erfahrungen der hmt. Ausschlaggebend dafür sei vor allem deren Mediennutzung. Zu wenig Angebote, Inklusion voranzutreiben und zu leben, gebe es definitiv nicht, es müsse nur besser gelingen, die Menschen reinzuholen.
Auch der Hornist Felix Klieser hat eine dezidierte Meinung zu den Spektren des Themas Inklusion. „Die Gesellschaft ist immer mehr gepolt, Leute auszuschließen statt das Miteinander zu leben. Vielleicht, weil es wirklich anstrengend ist, jeden individuell zu nehmen“, sagte der Musiker, der sein Instrument mit den Zehen des linken Fußes ebenso virtuos beherrscht wie andere mit den Fingern. Man müsse sich doch nur in den Musikhochschulen umschauen, forderte er auf: „Der Prozentsatz von Menschen mit Beeinträchtigungen, die die Aufnahme dort schaffen, ist einstellig.“
Mit seinem Statement, dass es bei Inklusion nicht nur um Behinderung, sondern beispielsweise auch um die Herkunft gehe, weitete Klieser die Blicke auf das Thema – und schuf schon beim Festivalauftakt eine steile Vorlage für die Perspektive des all inklusiv Rostock.
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